<< zurück
zur Übersichtbbb<<
zurück zu: Raumkontrolle 1
Extrakt: Raumkontrolle 1 Texte: Ronald Düker |
Zvi Efrat - Eran Schaerf Der Dialog zwischen dem israelischen Architekten Zvi Efrat und dem in
Israel geborenen und jetzt in Deutschland lebenden Künstler Eran
Schaerf verhandelt die Relation zwischen Modell und Wirklichkeit. Zvi
Efrat beginnt das Gespräch mit einer Geschichte von seiner kleinen
Tochter, die nicht in der Lage sei, die Grenzen des Staates Israel zu
zeichnen, eine paradigmatische Situation, wie er behauptet. Nach einhundert
Jahren Zionismus und 55 Jahre nach der Gründung des Staates Israel
seien Israelis noch immer nicht in der Lage, die geographischen und politischen
Umrisse des Staates zu definieren - Zvi Efrat nennt dieses Phänomen
in Anspielung auf den psychologischen Terminus "Borderlinedisorder".
Der israelische Architekt und der Verleger Sharon Rotbard in einer Diskussion mit Roemer van Toorn, Leiter der Programmabteilung des bekannten Berlage Instituts in Rotterdam. Am Anfang der Diskussion geben Rotbard und van Toorn einen Überblick über die aktuelle architektonischen Praxis und den Stand des Diskurses in Israel und in den Niederlanden. Van Toorn beschreibt die Neuentwicklungen in der holländischen Architektur anhand der Begriffe einer "zweiten" oder "reflexiven" Moderne - deren pragmatische Ideologie er als neuen Konservatismus kritisiert, den er "Fresh Conservatism" nennt. Er bezieht sich außerdem auf die von den führenden holländischen Architekten proklamierte Radikalität, die im Grunde genommen eine Fixierung auf Konsumkultur darstelle und wenig oder keine Verbindungen zu den sozialen Lebensbedingungen und -Bewegungen habe. Rotbard beschreibt anhand des Beispiels von Tel Aviv den Aufbau und die Ideologie einer architektonischen Erzählung, einer Gegen-Mythologie zum "innovativen" holländischen Design und seiner Architektur. Rotbard beschreibt die Geschichte von Tel Aviv als einer "Weißen Stadt", der vorherrschenden Mythologie seit einigen Jahrzehnten. Diese städtische Selbstbeschreibung stellt Tel Aviv als Stadt dar, die architektonisch von den Architekten des Bauhaus geprägt wurde, als ein Musterbeispiel der Moderne, die sich als eine Art "Paris des Mittelmeeres" begreift. Rotbard beschreibt, wie diese Mythologie konstruiert wurde und welche politische Agenda hinter deren Etablierung steckt - tatsächlich, behauptet Rotbard, habe die städtische Realität Tel Avivs kaum oder wenig mit dem Bauhaus und seiner Ideologie zu tun, folgerichtig nennt er diese mittlerweile unsichtbar gewordene, von der "White City" verdeckten Realität, die "Black City". Diese Bezeichnung steht auch für das Verhältnis Tel Aviv's zu seinen nicht-europäischen jüdischen Immigranten aus den arabischen Ländern sowie zu den Wurzeln der Stadt in einem ehemaligen kulturellen Zentrums Palästinas, der arabischen Stadt Jaffa. Diese Einleitung bildet den Ausgangspunkt für eine weiter gefasste Diskussion des Verhältnisses von Architektur und Ideologie. Anhand des Beispieles Rem Koolhaas verhandeln beide das kritische Potential von Architektur und des architektonischen Diskurses. Rotbard behauptet, dass Koolhaas Arbeiten und seine konzeptuellen Entwürfe immer schon affirmativ agiert hätten, während van Toorn darauf besteht, dass zumindest in den frühen Arbeiten eindeutig das kritische Potential überwiege. Rotbard beschreibt die Bedeutung von Koolhaas Methode und seiner politischen Bedeutung für den architektonischen Diskurs in Israel, und wie sich daraus eine "innovatives" architektonisches Management eines territorialen Krieges ableiten und rechtfertigen lässt - eine Praxis, die auf den Ruinen einer zerstörten Kultur aufbaut und Probleme nicht löst, sondern nur organisiert und zementiert. Darauf aufbauend diskutieren beide im Gegenzug das mögliche emanzipatorische Potential und die Wirkungskraft von Architektur jenseits' politischer Instrumentalisierung. Der Dialog zwischen David Campbell, Professor für internationale Politik an der Universität von Newcastle und von Eyal Weizman, israelischer Architekt, dreht sich um Kartographie als politische Praxis und um die Zukunft des territorialen Nationalstaates. Campbell untersuchte und theoretisierte die Teilungspläne von Bosnien Herzegovina und ist Autor zahlreicher Aufsätze über die politische Rolle und die moralischen Implikationen internationaler Diplomatie. In diesem Zusammenhang beschäftigt er sich mit ethnisch begründeter und nationalistischer Identitätspolitik und politischer Kartografie. Weizman ist für seine räumliche Analyse des Israelisch-Palästinensischen Konflikts bekannt. Ihr Gespräch beginnt mit einer Debatte über nationale Identität als einer territorialen Figur und über das Konzept des Grenze als grundlegendem Mythos der Idee der Nationalität. Die Frage, die an diesem Punkt gestellt wird, ist, ob "Teilung" im Falle nationaler und/oder ethnischer Konflikte überhaupt eine nachhaltige Lösung darstellen kann oder ob sie nicht den Kern zukünftiger Konflikte in sich birgt. Kann ein solches Modell überhaupt ohne ernsthafte Verletzung von Bürger- und Menschenrechten durchgeführt werden? Was kann man aus den Geschehnissen in Bosnien-Herzegovina für mögliche Szenarien im Falle Israel-Palästinas ableiten? Lässt sich z.B. die momentan mehrheitlich angestrebte Zwei-Staaten Lösung" ohne ethnische Säuberungen' durchführen? Grundlage dieser Fragen in dem Gespräch ist, das die ihnen zugrunde liegende Vorstellung eines homogenen Staatskörpers (Territorium, Volk, Staat) in Frage gestellt wird. Welche anderen Modelle von Staat und Staatsangehörigkeit lassen sich überhaupt denken? Welche Rolle spielt das internationale politische System? Vor diesem Hintergrund wendet sich das Gespräch der Rolle und Anwendbarkeit internationalen Rechts zu. Eyal Weizman wirft die Frage auf, ob Architekten/Planer und Kartographen juristisch verantwortlich für die Konsequenzen ihrer Tätigkeit gemacht werden könnten, etwa für die Verletzung internationalen Rechts und der Menschenrechte, wie im Fall des Baus von illegalen Siedlungen in der West Bank. Welcher Rechtsinstanz unterliegen solche Tätigkeiten? Auf den hier offenbar werdenden Schwierigkeiten aufbauend diskutieren beide anschliessend das Alternativ-Szenario zur Zwei-Staaten Lösung, die Herausbildung eines gemeinsamen Staatswesens für Israelis und Palästinenser auf demokratischer Grundlage. Meron Benevenisti / Milan Prodanovic Meron Benvenisti ist Autor und Professor für Geographie in Jerusalem.
In den späten Siebzigern war er stellvertretender Bürgermeister
von Jerusalem. Sein Vater leitete die Kommission, die für die Erstellung
einer neuen, hebräischen Landkarte des Territoriums nach der Gründung
des Staats Israel verantwortlich war. Benvenisti veröffentlicht heute
in der Zeitung Ha'aretz, er konzentriert sich dabei im wesentlichen auf
die räumliche Dimension des Konflikts. Milan Prodanovic ist serbischer
Stadtplaner, der sich vorwiegend mit der systematischen Zerstörung
der Städte und des städtischen Lebens (sog. Urbicide')
im Balkan beschäftigt.
|